Zuerst hatte sich der Rat mit einem etwas seltsamen Geschäft zu befassen: Zwei der obersten Gerichte des Kantons Zürich hatten gegenseitig das andere Gericht als zuständig erklärt (in einer Sache betreffend Spitallisten), und auch ein Urteil des Bundesgerichts hatte keine Klärung gebracht, sodass gemäss Zürcher Verfassung der Kantonsrat die Zuständigkeit festlegen muss. Die Justizkommission des Kantonsrats beantragte (nach ausführlichen Anhörungen) dem Rat, dass das Sozialversicherungsgericht zuständig ist, und der Rat folgte diesem Antrag sowohl diskussionslos als auch einstimmig.
Nach diesem („richterlichen“ oder gar „salomonischen“) Beschluss behandelte der Rat heute Initiativen.
Dabei am Meisten zu diskutieren gab die Einzelinitiative von SVP-Nationalrat Gregor Rutz betr. „Massnahmen zur Steuerung der Zuwanderung“. Weil die Masseneinwanderungsinitiative aus Sicht der SVP auf Bundesebene nicht umgesetzt wurde/wird, versucht die Partei den „Inländervorrang“ nun auf diesem (ungemässen) Weg zu etablieren und die Zürcher Regierung zu beauftragen, die Stellenmeldepflicht beim RAV für die öffentliche Verwaltung (inkl. Gesundheits- und Bildungswesen und inkl. sämtliche Stellen, die öffentlich finanziert oder subventioniert werden) einzuführen. Zweitens soll die Regierung Probleme mit Grenzgängern aktiver angehen.
Für diese Ansinnen musste sich der Einzelinitiant harsche Kritik anhören. Mit den fünf Stimmen der EDU erreichte die Einzelinitiative aber doch exakt die für die provisorische Unterstützung erforderlichen 60 Stimmen im Rat. Dass aber ein Nationalrat und ehemaliger Kantonsrat zu diesem Instrument greift, ist in der Tat unüblich...
Auch alle fünf Parlamentarischen Initiativen (PI) von Ratsmitgliedern, die heute diskutiert wurden, erreichten die für die provisorische Unterstützung erforderlichen 60 Stimmen.
Die PI der Geschäftsleitung des Kantonsrates betr. „Berichterstattung des Regierungsrats zu kantonalen Beteiligungen“ erhielt 171 Stimmen. Der Regierungsrat soll jährlich einen Bericht vorlegen, den der Kantonsrat diskutieren und damit seine Oberaufsicht besser wahrnehmen kann.
Die (technische) PI von FDP/SVP/BDP betr. „Frist zur Behandlung von Parlamentarischen Initiativen“ erhielt 112 Stimmen. Sie verlangt, dass jede PI innert drei Monaten im Rat behandelt werden muss. Wir sprachen uns dagegen aus, da so das Instrument PI bevorzugt würde gegenüber den anderen parlamentarischen Instrumenten.
Die PI von FDP/SVP/BDP betr. „Reduktion der Besteuerung von Kapitalleistungen aus Vorsorge“ erhielt 98 Stimmen. Sie postuliert „temporäre Steuerflucht für den Zeitraum des Kapitalbezugs“, da im Kanton Zürich Kapitalbezüge höher und mit stärkerer Steuerprogression besteuert werden als in anderen Kantonen. Wir sprachen uns dagegen aus, weil der jetzige Steuersatz individuell gerecht ist, weil Kapitalbezug nicht gefördert werden soll (da zum Teil unverantwortlich damit umgegangen wird), weil kein wirkliches Problem besteht, sondern sich vielmehr jährlich Steuerausfälle von zig-Millionen CHF ergeben würden.
Hingegen unterstützten wir die PI von FDP/Grünen betr. „Unvereinbarkeit für Mitglieder des Kantonsrates“, da dies ein wichtiges Thema ist (sie erhielt 95 Stimmen). Die Unvereinbarkeit soll erweitert werden auf alle Behörden, die vom Kantonsrat gewählt werden oder deren Wahl vom Kantonsrat genehmigt werden muss, namentlich Verwaltungsrat EKZ, Steuerrekursgericht, Baurekursgericht und Aufsichtsrat Sozialversicherungsanstalt. Die Verantwortlichkeiten sollen geteilt sein, Fragen zur Ausstandspflicht minimiert werden, und die corporate governance gestärkt werden.
Die PI von EDU/SVP/BDP betr. „Keine Besserstellung von Sozialhilfebe- zügern gegenüber Arbeitenden“ erhielt 62 Stimmen. Sie behauptet Fehl- anreize, dass sich Arbeiten nicht lohne, und dass die Städte Zürich und Win- terthur eine Sogwirkung auf Sozialhilfebezüger ausüben und ungerechtfer- tigterweise einen höheren Soziallastenausgleich fordern. Konkret verlangt die PI eine Einschränkung der Sozialhilfe für Urlaub, Erholung und medizinische Behandlungen, faktisch also eine obere Grenze für Sozialhilfe. Wir sprachen uns dagegen aus, da die jetzigen SKOS-Richtlinien genügen und der Ermessensspielraum der Gemeinden/Städte nicht weiter eingeschränkt werden soll. In Tat und Wahrheit sind die Gemeinden sehr darum bemüht, (auch) bei der Sozialhilfe zu sparen.