Donnerstag, 30. Juli 2020

Schulstreit: Offener Brief von Gemeinde- und Kantonsrat Hans-Peter Brunner an den Regierungsrat

Nachfolgend der Wortlaut des Offenen Briefs von Gemeinde- und Kantonsrat Hans-Peter Brunner an den Regierungsrat in Sachen "Schulstreit".

Sehr geehrte Frau Regierungspräsidentin, geschätzte Frauen Regierungsrätinnen und Herren Regierungsräte

 

Wie Sie wissen, haben sowohl der Gemeinderat wie auch die Schulpflege Horgen den Beschluss des Bezirksrats Horgen im sog. 'Schulstreit‘ vom 11. Juni 2020 an Sie als Rekursinstanz weitergezogen. Wie anlässlich der Medienkonferenz vom 18. Juni durch den Gemeinderat ausgeführt, hat der Gemeinderat den Beschluss des Bezirksrats „mit Konsternation und Befremden zur Kenntnis genommen“. Der Entscheid setzt beide Behörden ohne Unterstützung durch das Aufsichtsorgan nach über einem Jahr Verfahrensdauer auf Feld 1 zurück und blendet die Tragweite der Konfliktsituation gänzlich aus. Die zögerliche Anhandnahme und Erledigung durch den Bezirksrat, die Einseitigkeit der unvollständigen und selektiven Beweiswürdigung, eine offensichtlich nicht korrekte Tatbestandswürdigung des § 168 Abs. 1 lit. f des Gemeindegesetzes (GG) und die daraus resultierende Mutlosigkeit des wenig hilfreichen Beschlusses, der schon fast an Rechtsverweigerung grenzt, sind die deprimierenden 'Markenzeichen‘ des bisherigen Verfahrensverlaufs. Die Bevölkerung in Horgen ist verständlicherweise verunsichert, die Behörden zwischen "Schweigepflicht“ nach § 8 GG und der “Informationspflicht“ nach § 14 IDG relativ eng gebunden.

 

Es ist diese politisch höchst kritische Situation in unserem grossen Dorf am See, welche mich zum Verfassen des angehängten Aufrufs im Zusammenhang mit unserem Nationalfeiertag veranlasst hat. Da sich dessen drei letzten Sätze um den Regierungsrat handeln, wollte ich Sie vorgängig informieren, bevor Sie den Text in den Medien lesen.

 

Der Entscheid zum 'Schulstreit‘ liegt nun in Ihren Händen. Ich vertraue darauf, dass Sie im Rahmen des Aufsichtsrechts und Ihres weisen Ermessens eine sowohl rechtlich wie auch politisch tragfähige Lösung für die unhaltbare Situation in Horgen finden werden, damit wieder eine ordnungsgemässe Führungs- und Verwaltungstätigkeit möglich wird und die Motivation für ein Engagement in einem Behördenamt zurückkehren kann.

 

Leserbrief in ZSZ: 1. August in Horgen im Schicksalsjahr 2020

 

Wir feiern unsere Willensnation. Auch in Horgen? Der Wille, sich lokalpolitisch zu engagieren, sinkt dramatisch. Fast die Hälfte aus Gemeinderat und Schulpflege bittet zermürbt, enttäuscht und entkräftet um Entlassung aus ihren Ämtern: fünf Frauen und zwei Männer, Alterfahrene wie auch hoffnungsvolle Junge, das ganze politische Spektrum abdeckend. Auch neun der verbleibenden zehn Behördernmitgliedern droht absehbar Geduld, Zeit und Kraft auszugehen, sofern die zehnte Person blockierend im Amte verbleibt. So dramatisch war die politische Situation in Horgen seit 200 Jahren nicht mehr.
Weshalb mobilisiert dieses politische Beben die Bevölkerungsmehrheit nicht stärker?
Der 1. August, Symbol der Solidarität in Zeiten der Not und des Widerstands gegen Tyrannei, sollte im Schicksalsjahr 2020 zum Nachdenken über unser Dorf aufrütteln - und zum Handeln. Sind wir willens, breit abgestützte und sich langjährig bewährte politische Verhältnisse aufs Spiel zu setzen? Wollen wir uns dem Starrsinn einer überforderten, nicht teamfähigen Führungsperson und einer wirren Minderheit beugen, die leichtsinnig nach Neuwahlen rufen? Und wer mit Vernunft wird sich noch freiwillig für ein Miliz Amt zur Verfügung stellen wollen?
Wichtig wäre, wenn die abtretenden Behördenmitglieder spürten, dass ihr Opfer nicht umsonst ist und diejenigen, die bleiben, wüssten, ob sie mit der Unterstützung der bislang schweigenden Mehrheit rechnen dürfen. Und: wir alle müssen dem Zürcher Regierungsrat, der nun entscheiden muss, klar machen, dass unsere Bevölkerung funktionsfähige Behörden braucht und will. Denn er kann die eine Person, die dem zweitwichtigsten Führungsamt in der Gemeinde nicht gewachsen ist und diesem andauernd schadet, rechtmässig daraus entfernen. Das wäre mutig und zweifellos historisch; entscheidend aber ist, dass es rechtsstaatlich korrekt und im überwiegenden öffentlichen Interesse wäre.

 

Hans-Peter Brunner, Gemeinde- und Kantonsrat (FDP), Horgen